Oper als Kostümfest

Marianne Zelger-Vogt, Neue Zürcher Zeitung (23.10.2006)

Ernani, 21.10.2006, St. Gallen

Verdis «Ernani» im Theater St. Gallen

Es ist ein Kreuz mit den frühen Verdi-Opern: Wenn man sie auf CD hört, packt einen die dramatische Wucht der Musik, die Kraft der weitgespannten Melodien. Doch wenn man sie auf der Bühne sieht, kommt meist ein schales Gefühl auf. Das war so bei den «Ernani»-Inszenierungen in Zürich und Wien (1997 bzw. 1998) und ist jetzt in St. Gallen nicht anders. Die romantische Handlung (nach einem Drama Victor Hugos) war ganz nach dem Geschmack des jungen Verdi. Drei Männer, der edle Rebell Ernani (Tenor), der greise Grande Silva (Bass) und der spanische König Carlo (Bariton), rivalisieren um die Liebe Elviras (Sopran) und um die Macht. Ernani und Silva verbünden sich gegen den König, dieser, in Aachen zum Kaiser gekrönt, lässt Gnade walten und gibt Elvira frei. Doch am Tag der Hochzeit nimmt Silva Rache an Ernani und fordert dessen Leben ein - das Glück bleibt eine Utopie, hier wie in Verdis späteren Werken.

Was die Phantasie des Komponisten beflügelte, scheint heutige Regisseure eher zu lähmen. Die einen, interpretatorisch ambitionierten, meiden die «wirren» Frühwerke, die andern frönen dem Ausstattungstheater. So auch Massimo Gasparòn, der im St. Galler «Ernani» für Regie, Bühne und Kostüme zeichnet. Auf Letztere, prunkvolle Roben im Renaissance-Stil, dürfte er am meisten Zeit verwendet haben. Als Raumgestalter begnügt er sich mit wenigen Elementen: breiten Treppenstufen, grauen Quaderwänden, silbernen Säulen in wechselnder Anordnung, teilweise vor weitem Horizont. Die Regieführung erschöpft sich darin, die Figuren und Chöre dekorativ zu gruppieren.

Die Solisten werden so zu blossen Stimm-Trägern. Es sind durchweg imposante Stimmen, nur setzen sie zu sehr auf Kraftentfaltung und Lautstärke statt auf klangliche Differenzierung und Gestaltung. Dem vermag auch Alberto Hold- Garrido mit seinem straffen, energischen Dirigat nicht entgegenzuwirken. Raffaela Angelettis strahlkräftiger, abgedunkelter Sopran steht permanent unter Hochdruck, Juremir Vieiras Tenor tut sich schwer mit dem Ausgleich zwischen der baritonalen Mittellage und den ungenügend zentrierten Spitzentönen, und Ivan Inverardis dröhnendem Bariton fehlt es vollends an Homogenität. Umso kultivierter klingt Roberto Scandiuzzis warmer, sonorer Bass. - Beim St. Galler Premierenpublikum hat die szenisch wie musikalisch ganz auf vordergründigen Effekt angelegte Aufführung ihre Wirkung nicht verfehlt.