Franziska Stürz, BR Klassik (19.09.2016)
Prall, bunt, klamaukig - so kennt man Regisseur Herbert Fritsch. Nun brachte der Vollblut-Schauspieler in Zürich die deutsch-romantische Ur-Oper schlechthin auf die Bühne: Webers "Freischütz". Das Ergebnis: knallige Kostüme und ein wirbelnder Tanzteufel.
Schon bei der Ouvertüre wird nach wenigen Takten klar: dieser Freischütz wird anders, denn fern von weich wabernder Waldromantik setzt Dirigent Marc Albrecht mit der Philharmonia Zürich auf trockene, kantige Akkorde und aberwitzig schnelle Läufe im Staccato. Dieser Weber rockt und dazu projiziert Herbert Fritsch psychedelisch bunte Ringe auf den Vorhang. So könnte Max auf Drogen die Zielscheibe wahrnehmen.
Spiegelglatte Bühne und knallige Kostüme
Christopher Ventris stimmlich souveräner Max muss zwischen knallgrünen Jägern mit Jeti-Bärten und von Victoria Behr auf kongeniale Weise üppig-bunt kostümierten Choristen seine Männlichkeit suchen. Er steht aber auf Fritschs spiegelglatter Bühne mit kubistischen Elementen von Heim und Kirche im Schatten der übermächtigen, ikonenhaften und physisch wie stimmlich gewaltigen Agathe von Hausdebütantin Lise Davidsen. Die junge Norwegerin verfügt über ein erstaunliches Instrument von Flagstad-Format, das sicher im Wagnerfach noch viel von sich hören lassen wird.
Und dann ist da der feuerrote Teufel Samiel, atemberaubend verkörpert von Florian Anderer. Er ist den gesamten Opernabend auf der Bühne, stiehlt allen Protagonisten inklusive Melissa Petits zum Püppchen degradierten Ännchen mit seinen Fratzen schneidenden, tänzelnden Kommentaren die Show. In der Wolfsschlucht wirbeln Tänzer über die Bühne, Fritsch braucht keine Requisiten, alles wird dargestellt: Was für ein Theater! Samiel fährt zuletzt Agathe nicht nur unter den Rock sondern in sie hinein. Das Lachen und das Grauen stehen sehr dicht beieinander, und die sexuelle Ebene spielt eine große Rolle bei Fritsch. Dabei trifft er mit seinem überbordenden Witz ins Schwarze. Für die langen Dialoge der Oper konnte auch er keine durchgehend überzeugende Lösung finden, doch Christof Fischesser als Kaspar zeigt, wie es hätte laufen sollen: perfekte Gestaltung in Wort und Gesang und das trotz angesagter Erkältung!
"Freischütz"- ungewöhnlich und kurzweilig
Trotz schriller Überzeichnung hört Fritsch sehr genau in die Musik, die in Marc Albrechts Lesart zur Action auf der Bühne passt und mit viel Raum für die Sänger auch zu magischen Momenten findet. Ein frischer, ein ungewöhnlicher und kurzweiliger Freischütz, der Traditionalisten brüskiert und sich als Theaterereignis definitiv lohnt.