Oliver Schneider, Wiener Zeitung (31.03.2008)
In Zürich dirigiert Franz Welser-Möst den Silvester-Dauerbrenner "Fledermaus" etwas reizlos und unterkühlt
Schon einmal hatte der Zürcher Operndirektor Alexander Pereira die Meisteroperette von Strauss auf den Premierenzettel gesetzt. Die Gemeinschaftsproduktion mit den Wiener Festwochen verschwand rasch auf Nimmerwiedersehen. Ob es dem neuerlichen Versuch von Franz Welser-Möst und Regisseur Michael Sturminger besser ergehen wird? Bereits in der Premiere am vergangenen Samstag blieben viele Plätze frei.
Sehnsucht nach Liebe und Vergnügen, um dem Alltag zu entfliehen, rechtfertigen es für Sturminger, den Silvester-Dauerbrenner in die Gegenwart zu verlegen. Was nicht heißt, dass Familie Eisenstein nicht in einem Jugendstilhaus wohnen und im zweiten Akt ein eleganter Ball auf der Bühne eines Opernhauses gefeiert werden kann (Ausstattung: Renate Martin und Andreas Donhauser).
Es ist wie in der Realität: Altes und Neues haben nebeneinander Platz. Nur: Wirklich hinterfragt wird hier nichts, dazu fehlt Sturminger der Mut.
Stattdessen gibt es von allem ein bisschen: Persiflage, wenn Rosalinde temperamentlos ihre "Klänge der Heimat von Johann Strauss" singt, und einen zagen Interpretationsversuch, wenn die Gesellschaft des Sponsors Orlofsky zu blutsaugenden Vampiren wird, die der Frosch (Karl Markovics) mit einem Kreuz im Blumentopf vergeblich aus dem Gefängnis fern halten will.
Sturminger und Markovics haben passend eine straffere, moderne Dialogfassung erstellt, in der SMS verschickt werden, Rosalinde ein wenig Englisch spricht, von Trennkost die Rede ist, aber auch so manche Ungereimtheit entstanden ist. Vor allem ist es eine fade Angelegenheit geworden. Charme, Erotik und das Doppelbödige sind der Königin der Operetten restlos ausgetrieben.
Dazu trägt auch die musikalische Seite des Abends ihren Teil bei, obwohl Welser-Möst vieles wunderschön in der Instrumentalisierung freilegt und die Musiker ihm meist präzise folgen. Doch schon die Ouvertüre wirkt seltsam reizlos und unterkühlt. Von Widersprüchlichem und Unterschwelligem ist nichts zu hören. Nach einem forschen Beginn neigt der designierte Generalmusikdirektor der Wiener Staatsoper im Verlauf des Abends zuweilen zu schleppenden Tempi, womit er die Sänger in Bedrängnis bringt, was auf Kosten der Koordination geht. Das wird sich in Folgevorstellungen bessern.
Einsamer Höhepunkt
Was der Regie und der Musik fehlen, kompensieren auch die Solisten nur beschränkt. Leider werden sie auch häufig vom Orchester zugedeckt. Wenigstens Eva Liebau als Putzfrau Adele und Reinhard Mayr als Gefängnisdirektor Frank wissen ihre Chancen zu nutzen. Adeles Couplet im dritten Akt wird zum einsamen Höhepunkt des Abends.
Emily Magee verwechselt die Rosalinde mit der Ariadne, so dass von einer Tête-à-tête-Stimmung am Ende des ersten Akts nichts zu spüren ist. In späteren Vorstellungen wird Sandra Trattnigg diese Rolle übernehmen. Zumindest musikalisch Ansprechendes bieten Michelle Breedt als Orlofsky, Oliver Widmer als Eisenstein und Gabriel Bermúdez als Dr. Falke.